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September 2002

Karl-Heinz Bücke

Die Perioden der Libration des Mondes

  • Einleitung

Der Mond bewegt sich auf seiner Bahn einmal in einem Monat um die Erde und gleichzeitig um seine Achse. Da Umlaufszeit und Rotation gleich lang sind, spricht man von einer gebundenen Rotation - es ist immer die gleiche Seite des Mondes zur Erde gerichtet ist. Die Rotation ist eine gleichförmige Bewegung, der Umlauf um die Erde dagegen sehr kompliziert. Selbst bei einer genäherten Betrachtung kann man mindestens zwei Störungen nicht außer acht lassen. Wesentliche Störungen verursacht die Gravitation der Sonne. Die Mondbewegung wird weiter gestört durch den geringen Abstand von der Erde, als Folge davon sind beide Himmelskörper nicht mehr als punktförmige Massen anzusehen - der Mond bewegt sich im speziellen Gravitationsfeld der abgeplatteten Erde. Auch die Planeten üben einen kleinen Einfluß auf die Mondbewegung aus.

Der Umlauf um die Erde ist also ungleichförmig, der Mond bleibt auf seiner Bahn zeitweilig zurück oder eilt voraus. Zusätzlich ist der Mondäquator gegen seine Bahn um 1,3° geneigt. All dies bewirkt, daß der Mond von der Erde aus gesehen um eine Mittellage kippen kann. Desweiteren ergibt sich eine perspektivische Verschiebung, weil wir den Mond nicht vom Erdmittelpunkt, sondern von beliebigen Punkten auf der Erdoberfläche aus beobachten. Im Ganzen sind nicht genau 50%, sondern bis zu 59% der Mondoberfläche von der Erde aus sichtbar.

Die Libration entsteht durch die unregelmäßige Mondbewegung, deren Theorie sehr kompliziert ist. Aber nur wenige Faktoren dieser Theorie haben einen merklichen Anteil an der Entstehung der Libration. Deshalb sollte es überschaubare Gesetzmäßigkeiten für die Libration geben. Nachstehend wird versucht, Perioden zu finden und diese zu beschreiben. Für die Planung von Beobachtungen wird es interessant sein, im voraus bestimmte Konstellationen der Libration zu kennen.

Beobachtet wird die Libration insgesamt, in den Ephemeriden wird sie sinnvoller weise in Länge und Breite geteilt. Zunächst werden wir die Librationen in Länge und Breite einzeln untersuchen und dann die resultierende Wirkung betrachten. Das Ergebnis wird nicht ganz befriedigen. Eine Schwierigkeit bereitet die Tatsache, dass wir den Mond topozentrisch sehen, eine allgemeine Betrachtung aber nur geozentrisch möglich sein wird.

  • Die Libration in Länge

Die elliptische Bahnform ist hauptverantwortlich für die Libration in Länge. Nach dem der Mond das Perigäum passiert, wird die Bewegung bis zum Apogäum verzögert und dann erneut beschleunigt. So ist zu erwarten, dass im Perigäum und Apogäum die Libration gleich Null ist. Die Libration erreicht jeweils zwischen diesen beiden Bahnpunkten die Mixima von etwa 8°. Wenn Mixima eintreten, müßten die Keplersche Gleichung und zwei wesentlichen Störungen der Mondbewegung, die Evektion und Variation, verraten. Dazu folgende Betrachtungen:

Auf der Ekliptik eilt der Mond der Sonne täglich im Mittel um 12,191° voraus und nach 360° tritt die gleiche Mondphase ein. Von seinem Perigäum entfernt er sich täglich im Mittel um 13,065° oder anders ausgedrückt; wächst die mittlere Anomalie täglich um diesem Betrag. 360° geteilt durch die Differenz von 13,065° und 12,191° ergibt eine Periode von 411,9 Tagen. Nach dieser Zeit wiederholen sich Mondphase und Libration in Länge in ähnlicher Weise.

Die Periode wird von den zwei bereits genannten Störungen überlagert. Die Variation verändert die Länge des Mondes um 0,66° und ist Null zu den vier Hauptphasen. Die Evektion wirkt sich in der Länge um 1,27° aus und ist nicht an Mondphasen gebunden. Die größten Abweichungen treten infolge der Variation zwischen den vier Hauptphasen auf. Alle weiteren hier nicht genannten Störungen können sich fast auf 1° summieren.

Mit den wichtigsten Störungseinflüsse, der Evektion und der Variation, kann die Libration genähert so beschrieben werden.

L = 6,29° sin (m) - 1,27° sin (m - 2 *l) + 0,66° sin (2*l), 

dabei ist m der Abstand des Mondes vom Perigäum (mittlere Anomalie) und l der Abstand Mond-Sonne.

  • Die Libration in Breite

Diese Libration setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Den größeren Anteil bestimmt die Neigung der Bahn mit 5,1°. Der andere Anteil entsteht durch die Neigung des Mondäquators von 1,3° gegen die Bahn. Zwischen beiden Neigungen besteht ein Zusammenhang. Der aufsteigende Knoten der Bahnneigung ist gleich dem absteigenden Knoten der Äquatorebene. Diese Eigentümlichkeit bewirkt, dass sich beide Effekte addieren und in den Knoten Null sind. Deshalb erreicht die Libration in Breite bis zu 6,3°.

Die Funktion kann genähert so beschrieben werden:

L = - 5,1° sin (k) - 1,3° sin (k) = - 6,4° sin (k), 

dabei ist k der Abstand des Mondes vom aufsteigenden Knoten der Bahn.

Die Bewegung der Knoten ist rückläufig. Der Mond vergrößert auf seiner Bahn den Abstand von der Sonne täglich im Mittel um 12,191°. Bezogen auf die Knoten beträgt die tägliche Bewegung 13.229°. Daraus folgt bezogen auf die Mondphasen und die Libration in Breite eine Periode von 346,8 Tagen (360° geteilt durch die Differenz von 13,229° und 12,191°).

  • Die gesamte Libration

Aus den oben entwickelten Beziehungen kann man die gesamte Libration so beschreiben:

Libration (gesamt) =
Wurzel aus (Quadrat der Libration in Länge mal Quadrat der Libration in Breite) 

Da die maximalen Librationen in Länge 8° und in Breite 6,3° betragen können, ist es verständlich, wenn die gesamte Libration bis zu 10° annehmen kann, und zwar bezogen auf die Himmelsrichtungen Nordost, Nordwest, Südost und Südwest auf der sichtbaren Mondscheibe.

Aus einer einfachen Dreiecksbeziehung erhält man als Positionswinkel jeweils 38° nördlich und südlich des Mondäquators oder umgerechnet in astronomisch übliche Positionswinkel (gezählt von Norden entgegen dem Uhrzeigersinn): 52°, 128°, 232° und 308°. Abhängig von den Mondphasen sind außer bei Vollmond nur die Winkel interessant, bei denen die randnahen Gebiete beleuchtet sind. Für den zunehmenden Mond sind dies die Positionswinkel 232° und 308° und für den abnehmenden Mond 52° und 128°. Jetzt kann man mögliche günstige Konstellationen für die Hauptphasen zusammenfassen:

Bei zunehmendem Mond (für die östlichen Gebiete) muß der Abstand vom Perigäum 90° und bei abnehmendem Mond (für die westlichen Gebiete) 270° betragen. Für die nördlichen Regionen sollte der Mond zusätzlich 270° und für die südlichen Regionen 90° vom aufsteigenden Knoten entfernt sein. Durch Kombination beider Beziehungen erhält man die Bedingungen zum Entstehen extremer Librationen in den oben genannten Positionswinkeln.

Nun gibt es drei variable Daten, die Mondphasen, der Abstand vom Perigäum und der Abstand vom aufsteigenden Knoten. Gibt es eine Periode für diese drei Werte?

Wir haben oben bereits zwei Perioden bezogen auf die gleichen Mondphasen gefunden: für die Libration in Länge 411,9 Tage und in Breite 346,8 Tage. Nicht ganz zufällig gibt es für diese Perioden eine Gemeinsamkeit. 19mal 346,8 Tage und 16mal 411,9 Tage entsprechen jeweils genähert der Sarosperiode von 6585,321 Tagen, in der sich die Sonnen- und Mondfinsternisse wiederholen. Mit dieser Feststellung erkennen wir, dass sich die gesamte Libration mit der Sarosperiode wiederholt.

In der Anlage sind die Librationen zu den hauptsächlichen Mondphasen Erstes Viertel, Vollmond und Letztes Viertel aufgeführt und zeigen die Richtigkeit der bisherigen Überlegungen. Die Librationen wurden mit einer Genauigkeit von 0,1° gerechnet. Die oben aufgeführten Formeln erreichen diese Genauigkeit nicht und lassen nur den prinzipiellen Zusammenhang erkennen.

Für die praktische Beobachtung wird es nicht immer erforderlich sein, dass eine bestimmte Libration sich bei genau der gleichen Mondphase wiederholt. Deshalb muß für eine wiederholte Beobachung nicht die ganze Periode von etwa 18 Jahren abgewartet werden. Wann wieder eine günstige Libration eintritt, hängt auch von der Lage der zu beobachteten Mondformation ab. Werden polnahe Bereiche beobachtet, kommt es mehr auf die Größe der Libration in Breite an, die Libration in Länge ist hier eher unwesentlich. Ähnliche Überlegungen gelten für die äquatornahen Gebiete. Schwieriger ist eine Einschätzung für die Mondgebiete zwischen Äquator und Polen. Hier interessiert die gesamte Libration, und die Daten der Anlage werden einen Überblick geben.


In meiner Homepage www.buecke-info.de wird die Libration geozentrisch und topozentrisch in Tabellen dargestellt.


Anlage

Die Libration des Mondes während der hauptsächlichen Phasen Erstes Viertel, Vollmond und Letztes Viertel

In den folgenden drei Tabellen sind extreme und minimale Librationen für den Zeitraum von zwei Sarosperioden aufgeführt. Für diese Betrachtungen beginnt die erste Periode im Jahr 1982, genau am 3. Oktober. An diesem Tag sind die mittleren Längen von Perigäum und aufsteigendem Knoten gleich Null. Die Periode endet am 13. Oktober 2000.

Die Werte sind für die Jahreszahlen auf der linken Seite (erste Periode) gerechnet. Daher kann es bei der Zuordnung der Jahreszahlen auf der rechten Seite (zweite Periode) zu Abweichungen dahingehend kommen, dass sich die extremen Daten auf einen Monat danach beziehen. Die Sarosperiode, die hier zugrunde liegt, ist bekanntlich 18 Jahre und 11 Tage (bei 4 Schaltjahren im Zyklus) oder 18 Jahre und 10 Tage (bei 5 Schaltjahren) lang. Fand eine betreffende Phase am Monatsende statt, so wird sie nach 18 Jahren im Folgemonat zu erwarten sein.

Die Tabellen haben einen einheitlichen Aufbau. Oben sind die Monate 1 bis 12 aufgeführt. Seitlich stehen die dazugehörigen Jahre. Die mittleren Felder geben bei extremer Libration die jeweiligen Himmelsrichtungen auf dem Mond an, zum Beispiel ereignete sind im Juni 1990 eine maximale Libration in Richtung NO. Es sind auch geringe Librationen mit weniger als 2° angegeben, die bemerkenswerter weise eher selten vorkommen.

Die Orientierung nach den Himmelsrichtungen

In den Tabellen gelten für das Erste und Letzte Viertel extreme Librationen, wenn die Abweichungen größer als 4,5° betragen. Beim Vollmond werden Abweichungen größer 6° berücksichtigt. Mit dieser gewählten Definition sind auffällige Librationen in den Tabellen gekennzeichnet. Minimale Librationen sind dann aufgeführt und mit einem +-Zeichen gekennzeichnet, wenn die gesamte Libration kleiner 2° ist.

Wenn man die Tabellen betrachtet, werden gewisse Regelmäßigkeiten auffallen. So gibt es auch Jahre ohne auffällige Librationen. Da beim Vollmond alle acht Haupthimmelsrichtungen eingetragen sind, wirkt die Tabelle auf den ersten Blick etwas unübersichtlich. Man kann aber sehr geziehlt Zeiten für bestimmte Librationen finden.

Tabellen (PDF-Datei)